Wissenswertes
Erwerbsmigration nach Deutschland nimmt deutlich zu
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Das Statistische Bundesamt hat Zahlen zur Erwerbsmigration nach Deutschland für das Jahr 2022 veröffentlicht. Die Zahl der Erwerbsmigrantinnen und -migranten aus Nicht-EU-Staaten ist im Vergleich zum Vorjahr um 19% auf 351.000 Personen gestiegen. Das ist der stärkste Anstieg seit Beginn der Statistik im Jahr 2010.
7,1 Millionen EU-Bürger/-innen arbeiten im EU-Ausland
Die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union ermöglicht EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern, in allen Mitgliedstaaten uneingeschränkt Arbeit aufzunehmen. Im Jahr 2022 waren etwa 7,1 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger ab 15 Jahren in einem anderen EU-Land erwerbstätig, ohne dort die Staatsbürgerschaft zu besitzen. Dies markierte einen Rekord seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 2002.
Die Entscheidung zur Arbeitsmigration hängt neben der heimischen Arbeitsmarktsituation wesentlich vom Arbeitsangebot im Zielland ab. Aufgrund der positiven Wirtschaftsentwicklung in den letzten Jahren zog insbesondere Deutschland viele Arbeitskräfte an: Im Jahr 2022 waren 2,8 Millionen EU-Ausländerinnen und -ausländer in Deutschland berufstätig. Auch Spanien (0,8 Millionen), Italien (0,7 Millionen) und Frankreich (0,6 Millionen) stellten bedeutende Zielländer für Arbeitskräfte aus anderen EU-Staaten dar.
Blaue Karte EU am häufigsten
Der am häufigsten vertretene Aufenthaltstitel in diesem Bereich ist mit 89.000 Personen die Blaue Karte EU für akademische Fachkräfte. Besonders viele Inhaberinnen und Inhaber kommen aus Indien. Insgesamt machten Akademikerinnen und Akademiker über ein Viertel der Erwerbsmigrantinnen und -migranten aus.
Die Blaue Karte EU wurde 2012 speziell für hochqualifizierte Menschen aus Nicht-EU-Staaten eingeführt. Sie ermöglicht einen vereinfachten Zuzug für Arbeitskräfte mit einem Hochschulabschluss. Bedingung ist ein konkretes Jobangebot in Deutschland mit einem Mindestgehalt. Die Blaue Karte EU erfreut sich wachsender Beliebtheit. Sie bietet viele Vorteile wie einen erleichterten Familiennachzug und beschleunigte Möglichkeiten zur Einbürgerung.
Große Nachfrage nach Fachkräften vom Westbalkan
Unter den Erwerbsmigrantinnen und -migranten ragten 2022 Arbeitskräfte aus den Westbalkan-Staaten hervor. Über die Westbalkanregelung kamen 35% mehr Menschen nach Deutschland als noch 2021. Insbesondere aus Staaten wie Kosovo und Bosnien-Herzegowina ist die Nachfrage nach Arbeitskräften hoch.
Die Westbalkanregelung gilt seit 2016 und wurde vor kurzem bis Ende 2023 verlängert. Sie gestattet eine vereinfachte Einreise für Arbeitskräfte aus sechs Staaten des Westbalkans unabhängig von ihrer beruflichen Qualifikation. Viele davon arbeiten im Handwerk, der Pflege oder der Gastronomie. Aufgrund des Mangels an Fachkräften in Deutschland ist die Nachfrage in diesen Bereichen besonders groß. Hier werden händeringend Arbeitskräfte gesucht.
Positive Entwicklung erwartet
Insgesamt deuten die Zahlen auf eine anhaltend positive Entwicklung bei der Anwerbung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten hin. Durch neue Gesetze und Regelungen wurde in den letzten Jahren der Zuzug für Arbeitsmigration erleichtert. Davon profitiert nun zunehmend der deutsche Arbeitsmarkt.
Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2020 wurde auch gut qualifizierten Arbeitskräften mit einer Berufsausbildung die Einreise ermöglicht. Hier kamen 2022 besonders viele Fachkräfte aus Bosnien-Herzegowina und den Philippinen. Insgesamt ist die Zahl der Fachkräfte mit Berufsausbildung um 44% gestiegen. Auch das zeigt, dass Deutschland für beruflich Qualifizierte attraktiver wird.
103.000 Personen mit unbefristeter Niederlassungserlaubnis
Nach einem bestimmten Aufenthalt in Deutschland haben Fachkräfte auch die Möglichkeit, eine unbefristete Niederlassungserlaubnis zu erhalten. Ende 2022 hatten über 100.000 Erwerbsmigrantinnen und -migranten eine solche Erlaubnis. Die große Mehrzahl davon waren ehemalige Inhaberinnen und Inhaber der Blauen Karte EU.
Die unbefristete Niederlassungserlaubnis ermöglicht es Fachkräften, dauerhaft in Deutschland zu bleiben und zu arbeiten. Nach fünf Jahren können Erwerbsmigrantinnen und -migranten diese Regelung typischerweise in Anspruch nehmen. Das ist ein Zeichen dafür, dass viele Fachkräfte langfristig im Land bleiben möchten. Sie fühlen sich in Deutschland wohl und sehen gute berufliche Perspektiven für sich.
Arbeitsmarkt profitiert von Migration
Die Statistik des Bundesamts verdeutlicht, dass Deutschland als Einwanderungsland für Arbeitskräfte attraktiv bleibt. Sowohl hochqualifizierte Akademikerinnen und Akademiker als auch Fachkräfte mit einer Ausbildung wandern vermehrt zu. Sie schätzen die vielfältigen beruflichen Möglichkeiten und die wirtschaftliche Stabilität.
Angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräftemangels ist das eine sehr positive Entwicklung für den Arbeitsmarkt. Ohne Migration wären viele Bereiche der Wirtschaft von einem empfindlichen Personalmangel betroffen. Die Politik ist daher gut beraten, die Migration mit entsprechenden Gesetzen weiter zu erleichtern. Nur so kann der Wirtschaftsstandort Deutschland auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben.
Mehrheit der Erwerbsmigranten ist männlich
Unter den Erwerbsmigrantinnen und -migranten überwiegt der Männeranteil mit rund 67%. Offenbar sehen eher Männer als Frauen Deutschland als Zielland für ihre berufliche Laufbahn. Bei den Fachkräften mit einer Berufsausbildung verhält es sich jedoch umgekehrt. Hier liegt der Frauenanteil bei 58%.
Insgesamt sind rund 56% der Erwerbsmigranten zwischen 25 und 35 Jahren alt. Deutschland scheint also vor allem für Berufseinsteiger und junge Fachkräfte attraktiv zu sein, die ihre Karriere vorantreiben möchten. Ältere Bewerber schrecken vermutlich eher vor einem Neuanfang in Deutschland zurück.
Chancen der Migration gezielt nutzen
Die Statistik zeigt, dass Deutschland von der Migration beruflich Qualifizierter eindeutig profitiert. Allerdings sollte die Politik die entsprechenden Chancen auch gezielt nutzen. So wäre etwa mehr Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache hilfreich, um Hemmschwellen für die Integration abzubauen.
Auch könnten noch mehr Anreize speziell für weibliche Fachkräfte geschaffen werden. Schließlich ist das Potenzial bei Frauen bisher nicht ausgeschöpft. Mit einer durchdachten Strategie kann Deutschland das Einwanderungsland für kluge Köpfe aus aller Welt werden – zum Nutzen von Wirtschaft und Gesellschaft.